Identität

Dem Konzept der Alterität (s. Beitrag) nach führt der Prozess der Identifikation zur Bildung einer Identität. Aber bin ich deswegen identisch zu dem, mit dem ich mich identifiziere oder zu dem, mit dem ich von anderen identifiziert werde? Die Nationalität wird zum Beispiel von anderen in amtlichen Dokumenten festgehalten. Aber was, wenn ich keine erhalte, weil die Dokumente meiner Erzeuger*innen nicht anerkannt werden? Was, wenn, obwohl ich beispielsweise amtlich die Identität der deutschen Bürgerschaft habe, mich mit einem anderen Staat identifiziere? Die gleichen Fragen werden bei der Zuordnung zu einem Geschlecht gestellt: Muss ich mich als Mann identifizieren, nur weil ich mit einem Penis geboren wurde? Wer entscheidet das und warum, ob ich Mann und/oder Frau bin, wenn ich mit Geschlechtsmerkmalen von beiden geboren wurde? Auch wenn Staatszugehörigkeit für Großteile der deutschen Gesellschaft als feste Bestandteile ihrer Identität gelten, weisen diese Fragestellungen aus dem aktuellen Weltgeschehen daraufhin, das Identität keine statische Konstruktion ist. Dass die Vorstellung der Geschlechtertrennung kulturell bedingt ist und also auch grundsätzlich anders sein kann, lässt sich in der Geschichte an vielen Stellen finden. Dass alle Geschlechter genauso gut an politischen Wahlen teilnehmen können oder alleine die finanzielle Verantwortung für familiäre Gemeinschaften übernehmen können, sind zum Beispiel Erkenntnisse der jüngeren Weltgeschichte, die über mehrere Jahrhunderte erkämpft wurden.

Flechten aus Island ©K.P. Engelland 2023
Grenzen der Kooperation? © K.P. Engelland 2023

Dass Kinder ohne Staatsangehörigkeit geboren werden, gehört zum Alltag in Europa, seitdem Menschen hierhin flüchten, sich als Partner*innen finden und wie es unserer menschlichen Natur entspricht, Kinder kriegen. Dieser Umstand stellt die Bürokratie vor große Herausforderungen, damit die Identitäten von Staatenlosen geklärt werden kann1. Dieses kann extrem lange dauern und sogar aus vielen Gründen unmöglich sein, sehr zum Nachteil der betroffenen Menschen, die als Staatenlose in Kooperationen trotzdem genauso wirksam sein könnten, auch wenn ihre Identität ohne Staatszugehörigkeit besteht. Neben diesen veränderbaren, harten Ressourcen, sind auch alle weiteren unzähligen wandelbaren Ressourcen von Identität, die noch fundamentaler in ihrer Wirkung sein können. Die nachgewiesenen Veränderungen im Gehirn von Müttern durch die Geburt, was im Beitrag zur Selbstwirksamkeit bereits erwähnt wurde, kann sicherlich dazu gezählt werden.

Flechten aus Island ©K.P. Engelland 2023
Grenzen der Kooperation? © K.P. Engelland 2023

Wenn viele Ressourcen die Identität von Individuen bestimmen und diese Ressourcen im Laufe der Zeit auch ausgetauscht werden können, kann von gemeinsamen Identitäten nicht mehr die Rede sein. Ressourcen können identisch sein, doch wie sie auf Individuen wirken und deren Wirksamkeit beeinflussen, kann höchstens ähnlich sein.

  1. Wartenberg, Beeke (2022): „Eine Staatsangehörigkeit zu haben, ist keine Selbstverständlichkeit, es ist ein Privileg“, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/505446/eine-staatsangehoerigkeit-zu-haben-ist-keine-selbstverstaendlichkeit-es-ist-ein-privileg/ [Zugriff 12.9.2023] ↩︎

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