Was eine gute Wohngemeinschaft ausmacht gilt auch für die Begegnungen der Gesamtschule Bremen Ost und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen inner- und außerhalb der Formate des Zukunftlabors (s. Beitrag): Die respektvolle und wertschätzende Begegnung von beiden Seiten. Angesichts der unterschiedlichen Bedürfnisse eines Profi-Orchester und einer Gesamtschule in einem sehr diversen Sozialraum, mag der Erfolg für unbeteiligte Außenstehende umso erstaunlicher erscheinen. Doch über die überwältigende musikalische Wirkung eines professionellen Orchesters hinaus, das nicht nur die Absicht hat sein Publikum zu unterhalten sondern es für sich zu gewinnen, ist es die alltägliche Begegnung der Gegensätze, aus denen beide Organisationen für sich lernen. Den Orchestermitglieder, die auch alle Mitglieder der GbR sind und somit auch für den finanziellen Erfolg ihrer Orchester-Firma verantwortlich, nutzt diese gemeinsame Erfahrung in der Wohngemeinschaft für ihr Zusammenspiel mit dem Dirigenten und untereinander. Den Umzug in die Schule beschreibt das Orchester auf seiner Website auch als folgenreichster in seiner Geschichte seit der Gründung 1980, unter der der Erfolg aber nicht gelitten hat. (Mehr Informationen zu diesem beeindruckenden Werdegang: www.kammerphilharmonie.com.)
Wenn diese Erfahrungen durch diese gegensätzlichen Begegnungen mit Ressourcen für Selbstwirksamkeitserfahrungen nach dem Psychologen Albert Bandura (s. Beitrag) verglichen werden, so entsprechen diese künstlerischen Begegnungen mit der Schule in den gemeinsamen Formaten des Zukunftlabors der ersten und von Bandura als wirksamsten eingestuften Ressource: die der eigenen Erfahrungen, die im positiven Fall die erfolgreiche Bewältigung neuer Herausforderungen fördern. Bei Orchestergrößen von 30 – 100 Mitgliedern ist die vorstellbare individuelle Ressourcenvielfalt der Instrumente und der Persönlichkeiten, die sie spielen, groß und damit auch das Potential für persönliche Missverständnisse sowie den Instrumenten immanente gegensätzliche Perspektiven (beispielsweise alleine durch die notwendigen physischen Rahmenbedingungen, um diese Spielen zu können – mit den Fingern, mit den Fingern und Füßen, mit Fingern und Mund usw.). Es ist davon auszugehen, dass der jeweilige Umgang mit diesem Konfliktpotential konkrete Auswirkung auf die Qualitäten eines Orchesters hat. Für die Bewältigung dieser Herausforderungen können erfolgreiche Selbstwirksamkeitserfahrungen als hilfreich gelten. Im Fall der gegensätzlichen Begegnungen von Orchester und Schule im Zukunftslabor werden diese Erfahrungen in den verschiedenen Formaten regelmäßig gefördert. Diese Begegnungen sind fester Bestandteil eines jeden Schuljahres. Es ist davon auszugehen, dass sich zwar Strukturen der Formate wiederholen, nicht aber die Inhalte, da die partizipierenden Schülerinnen jedes Jahr wechseln, genauso wie Lehrkräfte und Orchestermitglieder. Die persönlichen Erfahrungen bleiben so immer einzigartig.
Die Bedeutung dieser Qualitäten für die stetige Weiterentwicklung der Kammerphilharmonie gilt auf der anderen Seite genauso für die Schule. Die Vielfalt an Ressourcen, die sich hier begegnen übersteigt die des Orchesters mühelos um ein Vielfaches. Das liegt nicht nur an den verschiedenen Hintergründen der Kinder und Jugendlichen aus 90 Ländern. Der jeweiligen subjektive Ausdruck durch künstlerische Mittel eröffnet für zwischenmenschliche Begegnungen im Unterschied zum vorherrschenden rein kognitiven Austausch bei der fachlichen Wissensermittlung in Schulen immer eine persönlichere Perspektive auf künstlerische Kompetenzen, die auch im Alltag außerhalb der Schule keine zentrale Rolle Spielen. Dabei wird der unterschiedliche Abstand zu Ressourcen deutlich. Ressourcen, die hier neben eventuellen künstlerischen Neigungen und Talenten gemeint sind, wären z.B. ein persönlicher Rückzugsort Zuhause oder Verlässlichkeit von konstruktiver Zuneigung im eigenen sozialen Netzwerk. Für die Entwicklung von Vertrauen zur eigenen Umgebung sind u.a. diese beiden Ressourcen relevant in der Entwicklung eines Menschen in seinen jungen Jahren. In von Mangel geprägten Sozialräumen, wie sie beispielsweise die Gesamtschule-Bremen-Ost umgeben, ist für viele Kinder und Jugendliche der Abstand zu diesen Ressourcen in der Regel deutlich größer als für erfolgreiche Musikerinnen. Die Differenz der Selbstwirksamkeitserfahrungen im Zukunftslabor verglichen zu denen im Schulalltag werden von den Schülerinnen intensiv erlebt. Diese Wirkung, dass Schülerinnen im Rahmen künstlerischer Partizipationen „aufblühen“, ist seit langem aus vielen Projekten der Kulturellen Bildung bekannt und somit kein Alleinstellungsmerkmal der Begegnungen im Zukunftslabor. Durch die langjährige, von Kooperation geprägten Koexistenz mit der Kammerphilharmonie Bremen, ist das Bewusstsein für den Zusammenhang von Selbstwirksamkeit zum Abstand von Ressourcen gestiegen. So ist es unter anderem ein Ziel der Schule, diese Fähigkeit ihren Schülerinnen mit auf den Weg zu geben, wie es der Schulleiter Hans-Martin Utz in der Begrüßung des Programmhefts von „Odyssee zum Mond“ beschreibt. Entsprechend begleitet ein festes Team von Lehrkräften die Klassen von der 5. bis zur 10. Klasse, um beispielsweise verlässliche Beziehungen und Kontinuität von Strukturen zu entwickeln, um das Vertrauen in eigene Ressourcen zu fördern. Auch in der Konzeption der Sozialen Arbeit ist diese Förderung ein zentraler Aspekt an der GSO. Bei mehr als 1.300 Schülerinnen braucht es auch weitere Kooperationspartnerinnen als „nur“ den Mitbewohner Kammerphilharmonie Bremen, um auch jenseits von musikalischen Neigungen Bedürfnisse und Talente kennen zu lernen und zu erproben. Beim Studium der Schulwebsite www.gsobremen.de stösst man auf ein Netzwerk aus allen Bereichen der Gesellschaft, das mehr als zwanzig Institutionen umfasst, die direkt auf der Startseite kommuniziert werden.
Abschließend lässt sich an dieser Stelle zusammenfassen, dass in dieser Wohngemeinschaft die Partnerinnen das Prinzip leben, den unterschiedlichen, sich stets wandelnden Abstand zu den Ressourcen der anderen in ihrer Gemeinsamkeit durch Kooperation zu reflektieren, um die daraus resultierende Spannung für die Herausforderungen, die individuelle Arbeit und für den regelmäßigen Austausch zu nutzen.