Fotografieren ist keine Kunst – dank fortgeschrittener Technik entstehen unzählige Fotos täglich weltweit. Kunst durch Fotografie entsteht im Spannungsfeld des Abstands desder Fotografin zum Objekt.
Thema der Zusammenarbeit mit den Schülerinnen ist die Qualität ihrer individuellen Ressourcen in ihren Lebenswelten. Mit Ressourcen sind hier z.B. ihre unmittelbare Nachbarschaft, Freundschaften, Glaube, Mitgliedschaften in Vereinen, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung usw. gemeint. Es geht also nicht um den materiellen Wert, sondern um die Qualität der eigenen Beziehung zu diesen Ressourcen. Das Erkennen, Beschreiben, Gedanken machen über die Qualität der Beziehung zu diesen Ressourcen soll zu einer abstrahierenden künstlerischen Darstellung mittels des Mediums Fotografie führen. Die Wertschätzung meiner Lebenswelt und meiner Sicht und meiner Stellung in dieser Welt ist Ergebnis dieses ästhetischen Forschens. Das soll analog zu dem oben genannten Spannungsfeld der Fotografie gesehen werden. Es steht den Schülerinnen aber auch offen, je nach ihren Neigungen eine andere Art und Weise der Forschung für sich zu wählen.
Ziel dieses Projekts ist es, Schülerinnen der Albrecht-Berblinger-Gemeinschaftsschule genau durch diese Spannung ein Lernfeld zu eröffnen, um sich Unterrichtsinhalte des Deutsch- und Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierungs Unterrichts persönlich zu erschließen (Erleben von Selbstwirksamkeitserfahrungen). Gleichzeitig ist es für die Schule ein Labor, wie Kooperationen im Unterricht die Lernkultur weiterentwickeln und sich dabei an den Lebenswelten der Schülerinnen orientieren. Hierfür wird mit dem Ulmer Fotografen Nik Schölzel (www.theaterbilder.de) und dem Kulturagenten der Stadt Ulm und Student des berufsbegleitenden Weiterbildungsmaster der Uni Marburg KuBiS (Kulturelle Bildung in Schulen), Karl Philipp Engelland, im Unterricht kooperiert. Im Rahmen dieses Studiums ist es auch das Praxisprojekt.
Diese Spannung im Kontext von Unterrichtsinhalten durch Fotografie sichtbar zu machen, bedarf eines abgestimmten sensiblen Vorgehens der Kooperationspartnerinnen. Einerseits gilt es gemeinsam mit den Schülerinnen das Themenfeld zu erschließen und andererseits den Umgang mit der Technik für ein gezieltes Ergebnis zu üben. Bei der Themenfelderschließung muss davon ausgegangen werden, dass es große Unterschiede bei den sozioökonomischen Hintergründen aller Beteiligten gibt. Das beinhaltet unterschiedliche Zugänge zur gesellschaftlichen Teilhabe. Schwache soziale und ökonomische Hintergründe führen durchschnittlich zu einer geringeren gesellschaftlichen Anerkennung und Wertschätzung, was sich auch im individuellen Selbstwertgefühl widerspiegelt. Dass die Schülerinnen und alle anderen Projektbeteiligten diese Hintergründe offenlegen, setzt ein großes Vertrauen zwischen allen Beteiligten voraus. Um dieses Vertrauen zu erhalten und hochwertig gedruckte Fotografien oder andere Artefakte herzustellen, die die Schülerinnen (öffentlich?) präsentieren wollen, wird der Projektverlauf in drei Phasen aufgeteilt: Phase 1 Kennenlernen und Erarbeitung von verbindlichen Umgangsformen; Phase 2 thematische und technische Vertiefung; Phase 3 Komposition von persönlichen Lebenswelt-Motiven; Phase 4 Vorbereitung einer Abschlusspräsentation – in Abstimmung mit den Schülerinnen öffentlich oder schulintern, aber auf jeden Fall für die Schulgemeinschaft. Im Zuge dieser Phasen werden Ausflüge in die Sozialräume der Jugendlichen überlegt und je nach Prozessstand umgesetzt. Genauso gilt es zu erwägen, ob Angebote von Ulmer Kultureinrichtungen die ästhetische Themenerschließung der Schülerinnen unterstützen, wie z.B. der Maker Space der Stadtbibliothek oder internationale Fotoausstellungen des Stadthauses. Wenn sich die Schüler*innen entscheiden, ihre Ergebnisse öffentlich präsentieren zu wollen, bedeutet dieses, rechtzeitige Abstimmungen mit in Frage kommenden Räumen zu erreichen.
‚Lebenswelten‘ ist das Pilotprojekt der Albrecht-Berblinger-Gemeinschaftsschule Ulm, um Gelingensbedingungen für zukünftige Kooperationen im Unterricht der Schule zu erleben und zu erfahren. Diese gewinnen im Kontext des Kulturfahrplans, den die Schule im Schuljahr 2023/24 für die Weiterentwicklung des kulturellen Schulprofils erarbeiten wird, eine zusätzliche Relevanz. Die prozessorientierte Projektpraxis ist dafür eine schuleigene und damit ergebnisreiche Quelle, die dabei effektiv und effizient zur Wirkung kommt.